Renates Kolumne: Möge uns ein Licht aufgehen

| Renate Dehner
Wie die meisten Menschen mag ich den Sternenhimmel und jede Sternschnuppe, die ich mitkriege, freut mich wie ein Kind. Es hat mich deshalb mit großer Befriedigung erfüllt, jüngst aus der Zeitung zu erfahren, dass ich offenbar unter einem besonderen Stern geboren bin: Im Frühjahr, also genau um die Zeit meines Geburtstages, erscheint alle 71 Jahre ein Komet, bis Mitte April (ist leider vorbei, wenn sie das lesen) sogar mit bloßem Auge sichtbar, wenn man Glück hat. Dazu muss man in der Nähe des hell leuchtenden Jupiter etwa eine Handbreit über den Horizont gucken, keine Ahnung, wo das ist, fragen Sie mich nicht.
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Leider gab es vor 71 Jahren auch keine heiligen drei Könige, die das gewusst hätten, und den Weg zu meiner Krippe respektive Wiege gefunden hätten, um mich reich zu beschenken. Entweder sie haben sich also verirrt oder sie haben sich davon abschrecken lassen, dass der Komet 12P/Pons-Brooks den Beinamen „Teufelskomet“ trägt. Ich bitte, daraus keine Rückschlüsse bezüglich meiner inneren Verfasstheit und meiner äußeren Handlungen zu ziehen und versichere eidesstattlich, dass ich, Komet hin oder her, vollkommen harmlos bin!

Aber die Sache mit dem Kometen freut mich schon – und jetzt kommt noch ein himmlisches Ereignis, auf das ich schon lange warte, hinzu. Zwischen Februar und September 2024 wird es für kurze Zeit zu einer seltenen astronomischen Begebenheit am Himmel kommen: Im Sternbild Coronae Borealis, auch bekannt als Nördliche Krone, wird eine Nova mit bloßem Auge zu erkennen sein. Gut, ich habe immer auf eine Supernova gehofft, wenn ich in den klaren Nachthimmel geschaut habe, aber wir geben uns auch mit den kleinen Dingen des Lebens zufrieden. Einen Jahrtausendwechsel habe ich miterlebt, eine Sonnenfinsternis, mehrere Mondfinsternisse, die Kometen Halley und Hale-Bopp habe ich persönlich kennengelernt, den Teufelskometen betrachte ich als mein mir privat zugehöriges Himmelslicht, mir fehlte also nur noch die Supernova – wenn das jetzt lediglich eine Nova wird, will ich nicht meckern. Ich lege das auch nicht den Astronomen zur Last.

Dabei gibt es ja gerade in jüngster Zeit prominente Vorbilder dafür, anderen etwas zur Last zu legen, statt sich an die eigenen Verantwortlichkeiten zu erinnern. Ich erinnere nur an den BDI-Präsidenten Siegfried Russwurm, der in einem Interview mit der SZ vom 3. April heftige Kritik insbesondere an Kanzler Scholz geübt hat, weil er die „Wirtschaftsmisere nicht entschlossen bekämpfe“. Wie bitte? Wer ist nochmal dafür verantwortlich, dass der Laden läuft? Was jeder Handwerker, jeder Selbständige und jeder Mittelständler weiß, scheint in der Großindustrie noch nicht angekommen zu sein: Wenn es nicht läuft, muss man die eigenen Ärmel hochkrempeln und nicht vorwurfsvoll auf die Manschetten der anderen zeigen.

Die deutsche Industrie mit ihren mit Millionen vergüteten Managern schreit, kaum dass es einmal nicht so gut läuft, nach Subventionen (Sozialleistungen in schwindelnden Höhen in meinen Augen, zahlt schließlich auch die Allgemeinheit) und verlangt nun noch, dass die Politik die Wirtschaft macht? Ich dachte, das sei deren Aufgabe und nicht die der Politik. Wer klopft sich als erstes auf die eigene Schulter, wenn die Wirtschaft gut läuft? Wer hält es für sein Verdienst, wenn Gewinne gemacht werden? Sagt da einer der Herren (und der wenigen Damen): „Ja, unsere Politiker, die sind einsame Spitze! Dass es so gut läuft, haben wir denen zu verdanken!“? Zahlen sie aus diesem Grund endlich einmal die Steuern, die sie von Rechts wegen zu zahlen hätten und verzichten auf die üblichen Mittel zu mehr oder weniger legalen Steuerhinterziehungen? Es ist billig, Investitionen in die Infrastruktur zu verlangen, aber selbst zu wenig Beitrag dazu zu leisten. Dinge anderen zur Last zu legen, damit macht man es sich zu einfach. Nein, ich bin nicht einig mit Herrn Russwurm.

Und, weil ich schon mal dabei bin, es gibt noch einen, mit dem ich nicht einverstanden bin: Martin Bujard, Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Seine These, anlässlich des festgestellten Geburtenrückgangs in Deutschland, hat die SZ am 21. März unter der knackigen Überschrift „Keine Kinder, kein Wohlstand“ zusammengefasst. Leider hat der Artikel vergessen zu erwähnen, dass es die Kinder der Einen sind, die den Wohlstand der Anderen erarbeiten. Das ist seit mehr als zweitausend Jahren so und daran hat bisher leider niemand etwas geändert. Familien und Alleinerziehende, denen es hinten und vorne an Geld fehlt, spüren täglich schmerzlich, dass ihre Kinder keineswegs ihren Wohlstand fördern und junge Paare, die sich gut überlegen müssen, was sie sich von ihrem Gehalt leisten können (wollen) und was nicht, wissen auch, dass Kinder zwar ein Segen sein mögen, aber keineswegs ein Geldsegen. Weshalb also sollten sie auf materielle Annehmlichkeiten verzichten, nur damit in Zukunft andere, die bereits in Hülle und Fülle im Wohlstand schwimmen, noch reicher werden? Eine bessere Familienpolitik, die Abhilfe schaffen könnte, ist leider weit und breit nicht in Sicht, da sei Christian Lindner vor.

Vielleicht geht ja dem einen oder anderen Verantwortlichen mit der Nova, wenn sie denn kommt, ein Licht auf – auf eine Supernova in den Hirnen wagen wir gar nicht erst zu hoffen, man muss ja nicht gleich nach den Sternen greifen.